DER TransPrivacy Blog

mit Texte, Schriften und Kommentare von Bloggern und Autoren zum Projekt

18.07.2011
15:44

Das Netz schreibt sich in die Welt

Die Vernetzung der Menschen und der Welt schreitet rasant voran und stellt damit etablierte Konzepte von Öffentlichkeit und Privatheit in Frage.
Nun sorgen soziale Veränderungen mit solcher Dynamik erfahrungsgemäß an den unterschiedlichsten Stellen für Reibungen, Diskussion und natürlich auch mal für Streit.
Die Kunst als Ort der Freiheit und Autonomie bietet an dieser Stelle eine mögliche Bühne für eine undogmatische Debatten und kann damit zur Lockerung von verhärteten Fronten beitragen.
Im Folgenden ein Text-Beitrag zu Idee und Hintergrund des TransPrivacy-Projekts vom Initiator Florian Kuhlmann.

Digitale Verbindungen überall

Langsam und scheinbar unaufhaltsam frisst sich das Netz in unser aller Leben und die damit verbundene Digitalisierung der Welt schreitet nach wie vor mit atemberaubender Geschwindigkeit und völlig ungebremst voran.

Ein Ende dieser Entwicklung ist derzeit nicht absehbar, genauso wenig wie die daraus resultierenden Veränderungen für uns und die davon betroffenen Gesellschaften.
Von der Utopie des globalen Dorfs bis hin zum Orwellschen Überwachungsstaat ist alles denk- und irgendwie auch machbar.

Egal was auch passieren wird und wohin die Reise geht, man hat verstanden, dass mit der Ausbreitung des Netzes eine Medienrevolution voranschreitet, die gleichbedeutend mit der Entwicklung des Buchdrucks oder der flächendeckenden Einführung von Radio und Fernsehen ist.
Aber trotz, oder vielleicht auch gerade wegen, dieser Erkenntnis scheint uns diese Entwicklung einer Naturgewalt gleich zu überollen.

Und es sind nahezu alle Bereiche des Lebens von dieser Entwicklung betroffen. Märkte und Geschäftsmodelle geraten in Bewegung, über Generationen etablierte Traditionen und die damit gewachsenen Strukturen beginnen sich aufzulösen, während gleichzeitig neue Verbindungen wie aus dem Nichts entstehen.

Innerhalb von vergleichsweise kurzer Zeit sind global agierende Megakonzerne wie Amazon, Ebay oder Google mit tausenden Angestellten und Millionen Kunden entstanden. Gleichzeitig gewinnen von Einzelpersonen betreute Blogs immer mehr an Bedeutung und sind in ebenso kurzer Zeit zum wichtigen politischen Kommentarfeld geworden. Tür an Tür, oder besser Link an Link bewegen sich diese One-Man-Shows mit den alteingesessenen und mächtigen Medienkonzernen im gleichen Medium.

gwei.org - ein Projekt von ubermorgen.com
Konturen verschwimmen, der Kontext gewinnt an Bedeutung

Zumindest in Bezug auf die Kommunikation hat sich der Raum fast völlig aufgelöst. Personen die weit voneinander entfernt leben, sich niemals persönlich begegnet sind, treten miteinander in Kontakt, tauschen sich aus, teilen ihr Wissen und entwickeln darauf basierende Ideen und Projekte.

Auf einmal werden bisher nicht zu realisierende Verfahren der politischen Partizipation möglich und stellen damit automatisch auch bestehende Machverhältnisse in Frage.

Information, sowie die damit verbundene Flut ist allgegenwärtig und die Geschichten der Blogs und Nachrichtenagenturen verweben sich über Smartphones und Ipads immer dichter mit unserem Alltag. So vereinen sich Fiktion, Dokumentation und Realität zu einer synthetischen, vernetzten Wirklichkeit. Die Grenzen zwischen den Bereichen beginnen dabei mehr und mehr zu verschwimmen und verlieren ihre gekannten Konturen. Wir sind nicht mehr nur Sender oder Empfänger, sondern zugleich auch Autoren in einem globalen Netzwerk.

Alleine durch die Nutzung der im Netz bereit gestellten Dienste treiben wir diese Entwicklung voran und hinterlassen dabei Spuren und Hinweise auf uns und unsere Art zu leben. Mal geschieht dies bewusst mal unbewusst, mal freiwillig zum Spaß und mal nehmen wir denn Kontrollverlust über die von uns erzeugten Daten missbilligend in Kauf.
Auf diese Weise lösen sich die Grenzen zwischen intimen, privaten Kenntnissen und öffentlich zugänglichem Wissen über Personen immer mehr auf.

Dabei ist es unumgänglich, dass sich etablierte Begriffe wie Privat- und Intimsphäre, aber auch das Gegenteil, die Öffentlichkeit, verändern und sich unsere Vorstellung davon wandelt.
Handlungen, Verhaltensmuster und Rituale welche zuvor der privaten Sphäre vorbehalten waren, finden auf einmal Ihren Weg in die Öffentlichkeit oder deuten sich dort an.

Aaram Bartholl, "WoW" - workshop & public intervention

Die Grenzen zwischen Kontrolle, Überwachung und Transparenz ist nicht mehr so einfach zu ziehen, geht es doch nicht nur um die Frage was gespeichert wird, sondern immer auch darum wer darauf zugreifen will. So wird es zunehmend schwieriger den Überblick über die Informationen zu behalten die etwas über uns und unser Leben aussagen.

Und obwohl dieser Prozess nun schon einige Jahre andauert, verändert sich die alltägliche Kommunikation und die Mediennutzung auch weiterhin gravierend.

E-Mail und SMS sind mittlerweile allgegenwärtig, an Facebook mit seinen Millionen Nutzern scheiden sich die Geister und mit der zunehmenden Verbreitung der Smartphones, Netbooks und iPads deutet sich der nächste Schub der Kommunikationsrevolution an.

Eine Netzpolitik für zahlreiche heterogene Positionen und eben so viele Felder?

Urheberecht, Netzneutralität, Datenschutz, Überwachung und Transparenz sind die entscheidenden Schlagworte und Themengebiete um die unter dem Oberbegriff Netzpolitik auf verschiedenen Ebenen gerungen wird. Je mehr sich das Netz mit der Welt verbindet und je mehr Akteure eingebunden werden, desto unübersichtlicher und verworrener werden diese Fronten.

Google ist ein wundersames Beispiel für diese Ambivalenz. Während der Konzern auf der einen Seite Transparenz und Open Access propagiert und damit Positionen vertritt für die Julian Assange oder Bradley Manning als Schwerverbrecher verfolgt werden, entwickelt sich der Suchmaschinengigant gleichzeitig zum privaten Mega-Bigbrother, der als wahre Datenkrake tief in unser intimes Leben einzudringen versucht.

Ähnliches geschieht im Bereich der Social-Networks. Facebook ist zwar derzeit die Privatdaten-Sammelmaschine Nr1, dient aber gleichzeitig auch als Plattform zur Organisation von Massendemonstrationen und Protesten, die bis hin zum Sturz von Regime führen, wie im arabischen Frühling zu beobachten war (oder ist?).

Bei all diesen Fronten eine klare Position zu beziehen ist nicht immer leicht, und so ist es nicht verwunderlich, dass sich die etablierte Politik so schwer mit diesem neuen Medium tut. Abschalten kann man es nicht mehr, die Auswirkungen zu ignorieren wird ebenfalls immer schwieriger.
Und so reichen die Vorstellungen von möglichst lückenloser Überwachun und reglementieren per DNS-Filtern, über die Aufhebung der Netzneutralität, bis hin zu Three-Strikes-Out-Regelungen und zur Vorratsdatenspeicherung fast aller Kommunikationsdaten.
Während die radikalsten Positionen der Gegenseite sich jegliche Einmischung egal welcher Ordnungsmacht absolut verbieten möchten.

Und so wird deutlich, wir müssen uns fragen wie wir mit den Veränderungen von Privatsphäre und öffentlicher Kommunikation umgehen wollen.
Wie viel Anonymität brauchen und wollen wir im globalen Dorf noch haben? Und welche Transparenz wollen wir an welchen Stellen zu lassen oder eventuell sogar zur Pflicht machen? Das sind nur einige der Themen die wir derzeit diskutieren müssen und für die wir irgendwann auch eine Form des Umgangs entwickeln müssen.

Dies dauert aber seine Zeit und die zugehörigen Antworten werden erst gemeinsam mit der Kultur entstehen können in diese zugleich eingebettet sind.

Diese Kultur zu gestalten und auszuhandeln ist nicht die Aufgabe der Politik, sondern es liegt ganz klar an uns herauszufinden welche neuen Tendenzen und Strömungen wir unterstützen wolllen und welche wir mitzutragen bereit sind.

Ganz sicher wird es nicht immer einfach sein, denn dabei werden eingefahrene Strukturen aufgebrochen, Machtverhältnisse angegriffen und natürlich auch liebgewonnen Gewohnheiten obsolet.

Solche Vorgänge sind nicht für jeden hipp, sexy und aufregend, sondern für einige von uns störend, für manche sogar existenzbedrohend und zutiefst beunruhigend. Denn diese Bedrohung und die daraus resultierenden Sorge erzeugen auch Ängste, welche zu harten und erbitterten Auseinandersetzungen führen. Diesen Ängsten können wir nur begegnen in dem wir uns darüber unterhalten und versuchen sie ernst zu nehmen.

supertaalk.at
Kunst als neutrale Zone

An dieser Stelle kommt die Kunst ins Spiel. Sie bietet einen reichen Fundus an künstlerischen Experimenten und Erfahrungen mit Medien und dem Netz, sowie den damit verbundenen Entwicklungen. Auf diese darf zurück gegriffen werden ohne sie instrumentalisieren zu müssen. Denn die Werke von Künstlern bieten seit je her die Möglichkeit der Reflektion über die thematisierten Phänomene ohne daraus Dogmatismen ableiten zu müssen.

Gleichzeitig bietet das Feld der Kunst, geschützt durch die Freiheit der selben, traditionell einen neutralen Ort der Kommunikation. Hier hat sich unsere Gesellschaft nicht ohne Grund einen autonomen Raum geschaffen in dem offen gedacht, geredet und gehandelt werden darf. Diese neutrale Zone bietet den Schutz um Diskussionen zu führen, Gedanken zu entwickeln und diese zur Debatte stellen zu können, ohne dabei auf mögliche Konsequenzen im politischen Geschehen Rücksicht nehmen zu müssen. Im Idealfall darf so diskutiert werden, ohne die Fronten weiter zu verhärten und später für böses Blut zu sorgen.

Der spielerische Umgang mit den Themen schafft Platz für neue Entwürfe und Ansätze. Diese Ideen können dann, nach dem sie einer ausführlicheren Begutachtung unterzogen wurden, natürlich auch darüber hinaus verfolgt werden und zu Grundlagen für Handlungsmuster oder Übereinkünfte werden.

Transprivacy stellt, in dem es auf herausragende Arbeiten internationaler Künstler zurück greift, mit seiner klaren Kontextualisierung als künstlerisches Projekt, eine Bühne für die eben skizzierten Prozesse zur Verfügung.
Über einen Zeitraum von etwa zwei Monaten werden hier heterogene Bild- und Textpositionen zusammen geführt, stehen sich gegenüber und treten im besten Fall in Dialog ohne dabei aber eine Allgemeingültigkeit einfordern zu müssen.


Ich wünsche dabei allen Interessierten, Unterstützern und Beteiligten viel Vergnügen. Darüber hinaus bedanke ich mich bereits im Voraus bei allen Unterstützern und vor allem bei den teilnehmenden Künstlern und Autoren die – und das ist ja keineswegs selbstverständlich – bereit sind einen Beitrag zu diesem Projekt leisten.

  •  
  • 0 Kommentar(e)
  •  

Mein Kommentar

Ich möchte über jeden weiteren Kommentar in diesem Post benachrichtigt werden.

Zurück