DER TransPrivacy Blog

mit Texte, Schriften und Kommentare von Bloggern und Autoren zum Projekt

29.10.2011
11:38

Big Brother, I'm watching you!

Big Brother, I'm watching you!

Pico Schlick geht in seinem Beitrag der Frage nach dem Beobachter der Beobachter nach, angewandt auf das Beispiel Datenschutz. Er stellt die Frage 'Wer kontrolliert diejenigen die kontrollieren sollen oder wollen wer was kontrolliert'? 

ein Gastbeitrag von Pico Schlick

Big Brother, I'm watching you! - oder: Jeder Datenschützer braucht einen Datenschützer

Von Pico Schlick

Unendliche Kreise

Noch jede wohlschmeckende Praline hat sich im Verlauf eines Verdauungsprozesses in in etwas sehr Unappetitliches verwandelt; und noch keiner ist der Rückweg geglückt. So gehen nicht nur Pralinen den Weg allen Fleisches, auch der Verdauungsapparat selbst bleibt von einem irdischen Verdauungsprozess nicht verschont. Alles geht da durch; nichts bleibt anschließend das, was es zuvor gewesen ist.

Aber die Dinge zerfallen ja nicht nur, sie wachsen auch. Denn Verdauung ist kein Zerfallsprozess, der Müll hinterlässt. Im Gegenteil ist das, was man ein Verdauungsprodukte nennen möchte nur für uns ein abstoßendes Etwas, eine Ekeligkeit, mit der wir nichts anzufangen wissen; und nur darum meinen wir, es handelte sich dabei um Müll: weil wir es nicht noch einmal verdauen können. Andere tun es. Und warum auch nicht?
Wir haben es mit Kreisläufen zu tun und die kennen keinen Müll, sondern nur Nährstoffe – und Daten sind soziale Nährstoffe: Die einen finden es Scheiße, die anderen geil.

Nichts geht verloren, nichts verschwindet

Kaum zu glauben, aber wahr. Es geht nichts verloren, nichts verschwindet, alles wird irgendwo aufgehoben und wird irgendwie weiter verwendet. Und man könnte auf die Idee kommen, dass ein Kreis keine Ecke hat; er hat keinen Anfangspunkt, an dem der beginnt, darum auch keine Ursache und  - wenn man so will – auch keine andere Wirkung als die, sich zu schließen, wie könnte sonst ein Kreis zustande kommen?

Es gibt nur Kreise. Mag sein, dass man bei Google nur zufällig auf die Idee gekommen ist, ein soziales Netzwerk als eine Verkettung von Kreisen aufzufassen. Jedenfalls ist die Metapher, so zufällig sie auch erscheinen möchte, der bislang beste Ausgangspunkt für ein Verstehen sozialer Prozesse, die – wie alles andere auch – nur durch Kreisfindung und Kreisläufe funktionieren: Ein Kreis findet sich, wenn er sich schließt, und nur wenn er sich schließt, findet er sich. Die Elemente sozialer Kreisbildungen sind Daten. Das ist in der Kulturgeschichte nichts besonderes.

Sprache: wer könnte anfangen zu reden, wenn man nicht weiß, ob jemand zu zuhört? Aber ob jemand zuhört, kann man erst wissen, wenn man jemanden angesprochen hat. Aber wie käme man dazu, wenn man nicht weiß, ob der andere auch Sprache versteht?

Schrift: wer fängt an zu schreiben, wenn keiner liest? Wer könnte das Lesen anfangen, wenn keiner schreibt?

Bild: Wie kann ich auf das deuten, was ich sehe, wenn ich keine Bilder kenne, die mir deutlich machen, dass auch du das sehen kannst, was ich dir zeige? Woher weiß ich was du sehen kannst, wenn es keine Bilder gibt? Aber wenn es Bilder gibt: wo kommen sie her, wenn keiner einfach anfangen kann zu zeigen, was man sehen kann?

Ware: wer will Waren kaufen, wenn es noch keine Waren gibt? Wer würde Waren herstellen, wenn man nicht weiß, wer Waren haben will?

Telefon: wer kauft ein Telefon, wenn man keinen anrufen kann?

Auto: wer fährt Auto, wenn es keine Straßen gibt? Wer baut Straßen, wenn es keine Autos gibt?

Fernseher: wer macht ein Fernsehprogramm, wenn noch keiner einen Fernseher hat?

Internet: wer wählt sich ins Internet ein, wenn sich noch keiner ins Internet eingewählt hat?

Gottes großer Bruder

Wenn man keine andere Erklärung hat könnte man glauben, für all das wäre ein Großer Bruder verantwortlich, der alles weiß, der jeden kennt, und deshalb Sender und Empfänger erfolgreich vermitteln kann, weil sowohl Sender als auch Empfänger dies nicht können.
Er müsste also nicht das Problem des Anfangs haben. Und er müsste außerhalb des Kreises stehen, den er herstellt, ähnlich wie man mit einem Zirkel einen Kreis herstellt. Aber ist erfahrungsgemäß möglich? Nicht wirklich, oder? Und doch könnte man glauben, der Große Bruder schleicht sich ein und nimmt die Menschen als Sklaven.
Wie auch immer ihm das gelingen sollte, wenn ihm das gelingt, so müsste auch der Große Bruder einen Großen Bruder haben usw., dann könnte es gehen.

Wer beherrscht wessen Daten?

Daran glaubt keiner, aber viele glauben an einen funktionierenden Datenschutz. Fangfrage für alle, die diesen Text bislang verfolgt haben: Wie könnte ein Datenschutz tatsächlich funktionieren? Antwort: das geht, wenn jeder Datenschützer einen Datenschützer hat.

Aus diesen kurzen Überlegungen ergibt sich, dass Problem nicht einmal halb so groß ist wie die Aufregung glauben machen möchte.
Denn die Frage ist sachlich ganz einfach zu stellen: Wer schützt die Daten des Datenschützers? Wenn die Antwort lautet, dass er dies selbst vermag, ja warum nicht auch alle anderen?
Stattdessen kann man den Eindruck gewinnen, dass manchen Datenschützern ihre Rolle eher mit der eines Großen Bruders verwechseln, von welchem die Mär geht, dass er selbst keinen noch größeren Bruder hat.

Polemisch wirkt eine solcher Überlegung nur, wenn man einen Datenschützer dabei beobachten kann, wie er sich darüber aufregt. Ja warum regt er sich denn auf? Hat er denn keinen Datenschützer? Und wenn er keinen hat? Wer sollte damit anfangen können, die Daten des Datenschützers zu schützen?

So dreht man sich im Kreis. Und das macht die Sache unglaublich harmlos, weil keiner diesen Kreis durchbrechen kann.

Hey Datenschüzer, I'm watching you.

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  • 1 Kommentar(e)
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Gravatar: Peter PanPeter Pan
17.11.2011
08:51

Meiner Auffassung nach verkennen Sie mit Ihrer "Kreisbahn" die stattfindende soziale Kontrolle und die sich daraus ergebenden Machtstrukturen innerhalb unserer Gesellschaft, welche zweifelsohne in einem kapitalistischen Sinne/System am Werk sind. Oder anders formuliert: Es soll so sein, dass der Bruder keinen großen Bruder hat.

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